Im September 2018 hat das Chemnitz Automotive Institute (CATI), Geschäftsbereich der TUCed – An-Institut für Transfer und Weiterbildung GmbH eine ‚Tiefenanalyse zur Automobilzulieferindustrie in Thüringen‘ vorgelegt, die erfreulicherweise Basis für eine ‚Automotive Agenda Thüringen‘ des thüringischen Wirtschaftsministeriums wurde. Jetzt liegt eine weitere CATI-Studie vor, die der weiteren Umsetzung dieser ‚Automotive Agenda‘ dient und im Auftrag der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG) erarbeitet wurde. Die Studie ist einem künftigen automobilen Wachstumsfeld gewidmet – dem Interieur der Zukunft.

Der Begriff ‚Interieur der Zukunft‘ steht nicht für die Vision in einer fernen automobilen Zukunft, sondern für einen disruptiven Innovations- und Wachstumsschub, durch den die über Jahrzehnte unverändert fortbestehende Grundstruktur und Wertigkeit von Fahrzeug-Innenräumen ihrem Ende entgegengeht. „Dieser Aufbruch in eine neue Interieur-Welt wird mit den Fahrzeuggenerationen ab Serienstart 2025 mit hoher Wachstumsdynamik zur Realität werden“ – so die Autoren der Studie Prof. Dr. Werner Olle und Dr. Daniel Plorin, die die Concept Cars von internationalen Automobilherstellern und Start-ups sowie Interieur-Exponate weltweit agierender Systemlieferanten (wie das abgebildete DemoCar der Firma Marquardt) ausgewertet haben. Diese Analyse technologischer Trends wurde durch Expertengespräche mit Entwicklern bei Automobilherstellern, Systemlieferanten und Entwicklungsdienstleistern ergänzt.

Ursachen des ‚Aufbruchs’ im Interieur
Die Veränderungsimpulse für das Interieur der Zukunft entspringen mehreren Ursachen:

  • durch die Elektromobilität entstehen neue Baufreiheiten im Innenraum der Fahrzeuge;
  • durch die Vernetzung der Fahrzeuge bieten sich den Passagieren eine Vielzahl neuer Informations-, Entertainment- und Kommunikationsmöglichkeiten;
  • Fortschritte auf dem Weg zum autonomen Fahren entlasten den Fahrer und schaffen bislang unbekannte, erweiterte Nutzungsansprüche an den Aufenthalt im Fahrzeug;
  • und auch der Trend zum Sharing von Fahrzeugen bringt durch höhere Nutzungsintensitäten neue Herausforderungen mit sich.

Das Interieur der Zukunft wird damit wesentlich durch die Megatrends einer neuen Mobilität geprägt.

Paradigmenwechsel im Interieur
Das Interieur der Zukunft ist allerdings nicht nur durch technologische Trends geprägt, sondern durch einen grundlegenden Blickwechsel.

Sind Fahrzeug-Innenräume bis heute wesentlich auf den Fahrer-Arbeitsplatz fokussiert, so erfolgt nunmehr eine Hinwendung zum Nutzer (Fahrer und Mitfahrer). Treffend formuliert: „Die Autobauer entdecken derzeit eine Spezies im Auto, die sie bislang nahezu ignoriert haben: die Passagiere“ (Prof. Lutz Fügener, Lehrstuhl für Transportation Design an der Hochschule Pforzheim).

Dieser Paradigmenwechsel ist in der Branche angekommen: „Der Mehrwert für den Kunden steht im Vordergrund. Wir müssen weg vom Kalten, Technokratischen. Wir wollen nahbarer, wärmer, emotionaler und erlebnisorientierter werden. Es geht darum, Modernität, Progressivität, Lebensgefühl und Zeitgeist zu vermitteln. Der Aufbruch in das Zeitalter der E-Mobilität ist der Beginn einer neuen Welt. Schauen Sie nur, was sich im Innenraum verändert(Interview mit Hildegard Wortmann, AUDI-Vorstand für Vertrieb und Marketing).

Funktionsintegration als dominierender Trend
Die in der Studie identifizierten ca. 100 technologischen Einzeltrends betreffen den Materialeinsatz, die Um- und Neugestaltung von Interieur-Komponenten, die Integration von Funktionalitäten sowie damit verbundene neue Fertigungsverfahren.

Eine herausragende hoch-innovative Bedeutung kommt dabei dem Trend zur Funktionsintegration zu, durch den bestehende und neue Funktionalitäten sowie neue Bedienkonzepte in Materialien und Oberflächen von Interieur-Komponenten eingebettet werden.
Das Spektrum neuer Funktionalitäten reicht von vorausschauenden Fahrinformationen über Kamera-basierte Insassen- und Innenraumsensorik mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten bis hin zu Funktionalitäten einer ‚Automotive Health‘ von der Vitaldatenerfassung bis zur Früherkennung gesundheitlicher Risiken.

Viele dieser genannten neuen Funktionalitäten werden erst durch entsprechende Software-Applikationen möglich, z.T. durch Einsatz künstlicher Intelligenz.

Durch diese neue Symbiose aus Material/Oberflächen und Funktionalität wird die branchenübergreifende Technologiekooperation und Integrationskompetenz zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Von wesentlicher Bedeutung wird dabei zudem die Kundenakzeptanz, die insbesondere bei den innovativen Funktionserweiterungen auf ganz neue Herausforderungen der Usability und User Experience trifft. „Das Interieur der Zukunft ist eine automobile Zeitreise vom ehemals dominierenden Kriterium des ‚Spaltmaßes‘ hin zu einer neuen Welt der ‚User experience‘ – ein Neuland für Automobilisten“, so das Resumée der Autoren der Studie.

Eine Kurzfassung der Studie steht zum Download auf cati.institute zur Verfügung.

(Bild: Marquardt)